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Freitag, 15. Dezember 2017

Rätikon - Miss Partnun (7b+)

Ja, die Miss Partnun trägt ihren Namen zurecht - es ist das schönste Mädel weitherum! Über all die Jahre hatte ich zwar nicht allzuviel, aber dann doch immer Gutes über diese Route gehört. Doch da sie sich nicht an den Kirchlispitzen oder am Schweizereck befindet, sondern ein paar Kilometer weiter östlich an der Gamstobelwand der Sulzfluh steht sie viel weniger im Rampenlicht. Dies jedoch völlig zu Unrecht: sie bietet stets interessante Kletterei in weitestgehend perfektem, silbrigem Rätikonfels mit irre Struktur und Reibung an einem hübschen Pfeiler. Auch in der Zone rund ums Grüscher Älpli wäre es eine der besten Routen!

Blick vom Partnunsee auf die Gamstobelwand, d.h. den Ostausläufer der Sulzfluh, wo sich auch die Miss Partnun befindet.
Nachdem das Wetter etwas gewittrig angesagt war, schien die Miss Partnun mit ihren 7 Seillängen und südöstlicher Exposition ein ideales Ziel. Weil der Einstieg auf einer Höhe von 2400m liegt, beunruhigten uns auch die angesagten Juni-Rekordtemperaturen im Bereich von 35 Grad fürs Flachland nicht. Wie sich zeigen sollte völlig zurecht - für die Kletterei herrschte ein sehr angenehmes Klima, dank kühlendem Westwind und ab und an einer Schatten spendenden Quellwolke fühlte es sich niemals heiss an. Um die Route sicher komplettieren zu können ohne dabei geduscht zu werden, entschieden wir uns für einen frühen Start, d.h. Aufstehen um 4.45 Uhr. Die Tour startete beim P6 bei Äbi unterhalb von Partnun (ca. 1620m, gebührenpflichtiger Parkplatz für 6 CHF/Tag, Münzen bereithalten!). Der Zustieg nimmt je nach Tempo rund 1.5 Stunden in Anspruch, führt aber durch eine schöne und interessante Umgebung. Zuletzt verlässt man dann den Weg zur Sulzfluh, quert weglos eine labile Geröllhalde und bezwingt in leichter Kletterei den Felsriegel unterhalb der Wand. Die Routen an der Gamstobelwand sind nicht angeschrieben. Da alle erst mit einer halben Seillänge über einfache Platten beginnen, steckt auch nicht üppig Hakenmaterial, so dass etwas Spürsinn vonnöten ist. Für Verwirrung kann ebenfalls die Route Velocita Limitata (8a) sorgen, welche in den handelsüblichen Topos derzeit noch nicht eingetragen ist. Für uns war’s aber kein Problem, um 8.40 Uhr ging es schliesslich los mit der Kletterei.

L1, 6a: Die erste Seillänge wurde erst nachträglich hinzugefügt, zuerst stiegen die Erstbegeher dem einfachen Gelände folgend vermutlich rechts herum auf die Terrasse am Ende von L1. Auch wenn’s von unten eher banal und nicht so überzeugend aussieht, so bietet diese Seillänge durchaus interessante Kletterei. Die Cruxmoves in der Mitte sind denn auch gar nicht mal so einfach.

Jetzt geht's looos! In L1 (6a), welche zuerst über einfache Platten führt, die Steilstufe wo sich der Akteur befindet ist bereits kniffliger.
L2, 7a: Nun geht’s los mit dem seriösen Business! Die graue Wand sieht einschüchternd und attraktiv zugleich aus. Über eine noch nicht so schwierige Einstiegsplatte gewinnt man eine seichte Verschneidung, wo man sich spreizend in die Höhe arbeitet und dabei schon ziemlich gut auf die Füsse stehen muss. Man verlässt diese nach rechts hinaus und sieht sich vor der Crux: hier muss ein Aufschwung mit kleinem Dächli (fast) ausschliesslich an Untergriffen bewältigt werden, dabei gilt es der Reibung voll zu vertrauen. Ziemlich zwingend das Ganze, viel fehlt da nicht zu einem 7a obligatorisch! Zuletzt dann wieder etwas einfacher in plattiger Querung nach rechts hinaus zum Stand.

Sieht eigentlich noch ziemlich gemütlich aus. Doch schon die Verschneidung in L2 (7a) erfordert etwas Einsatz, die Stelle an deren Ende ist dann die reichlich obligatorische Crux, wo man parat sein muss.
L3, 6c+: Die kompakte Wand gleich oberhalb vom Standplatz sieht verdammt schwierig aus und lässt einen hohe Schwierigkeiten vermuten. Schliesslich geht’s dann vorerst besser wie befürchtet, weil sich genau an der richtigen Stelle immer wieder ein vernünftig nutzbarer Tritt oder Griff präsentiert. Erst bevor es abflacht wird’s dann feiner und zäh. Die Erstbegeher haben an dieser Stelle grossen Mut bewiesen und die Schwierigkeit bei dieser plattigen Stelle voll obligatorisch gemacht. Immerhin hatten sie nachher gutmütiges Einsehen mit den Wiederholern und platzierten eine Verlängerung, so dass noch vor dem heikelsten Move geklippt werden kann. Zum Zeitpunkt unserer Begehung handelte es sich dabei jedoch um eine ziemlich zerfetzte Bandschlinge... Wir spielten dann die gute Seele und ersetzten sie beim Abseilen mit einer soliden Reepschnur gleicher Länge.

Steilplattenkletterei in sehr kompaktem Fels zu Beginn von L3 (6c+). Zu Beginn sogar aber einfacher wie befürchtet.
L4, 7b+: Erst grau-rau-plattig, dann gelb-kleingriffig-einbitzsplittrig und schliesslich steil-athletisch-henklig präsentiert sich die lange Cruxlänge. Die erste Hälfte weist dabei vergleichbare Schwierigkeiten wie L2 und L3 auf, gut abgesichert. Die Crux dann in einem weiten Quermove nach links auf schlechten Tritten, nicht sonderlich schön oder elegant. Dort wo man blind hinzielt, sind im leicht splittrigen Gelände scheinbar schon einige Leistchen ausgebrochen. Onsight ist das anspruchsvoll und auch ein bisschen Glückssache - mir hat schliesslich relativ wenig gefehlt, leider griff ich blind nicht ganz ans richtige Ort, d.h. nicht dorthin, wo das beste Käntchen den Fingern etwas Widerstand bietet. Nach einem guten Ruhepunkt folgt dann noch der steile und luftige Abschluss - wiederum im 7a-Bereich, nur nicht abschütteln lassen. Am Stand fehlte dann beim einen Bolt das Plättli und erforderte etwas Improvisation... (Hinweis: das Malheur ist inzwischen behoben, danke Tobi!)

Blick auf die Cruxlänge (L4, 7b+). Der erste Teil geht ok, die Crux ist es, aus der gezeigten Position nach links zu moven.
L5, 6a: Eine einfache und gemütliche Länge um etwas zu verschnaufen. Damit es nicht langweilig wird, haben die Erstbegeher dafür etwas mit den Bolts gespart, es stecken nämlich nur 2 Stück. Mehr braucht’s jedoch bei der zugänglichen und gut kontrollierbaren Kletterei jedoch auch nicht. Trotzdem ist es sehr dienlich, hier noch einen Camalot 0.3 dabei zu haben, um diesen unmittelbar vor dem zweiten Haken legen zu können. Das haben die Erstbegeher bestimmt auch so gemacht, deshalb steckt dieser so hoch. Man kann darauf verzichten, dann klettert man den 6a-Move allerdings mehr oder weniger unprotected, bzw. gute 8m über der letzten Sicherung.

Etwas einfachere aber sehr schöne Kletterei in L5 (6a).
L6, 7b: Nun gilt’s nochmals richtig ernst. Gleich über dem Stand will eine wiederum seichte Verschneidung gewonnen werden. Erneut gibt’s nicht allzu viele Griffe und absolut entscheidend ist es, den Füssen zu vertrauen. Der Abschluss dieses ersten Teils wird durch eine überhängende Zone markiert. Hier gilt’s kräftig von Unter-/Seitgriffen auf die Sloper darob zu moven und der Sache mantelnd in die folgende Platte zu entkommen. Dort eigentlich gut gesichert, allerdings brauchen die etwas heiklen Klipps aus Gegendruck-Positionen Reserven. Oben ist das Gelände mit supergriffigen Tropflöchern dann zwar sofort einfacher (~6b), dafür wartet in gepumptem Zustand ein etwas affiger Runout zum Stand hinauf. Bei einem Sturz wäre man schnurstracks wieder zurück am Stand bei seinem Sicherungspartner. Hinweis: es lässt sich an dieser Stelle noch eine unscheinbare Sanduhr fädeln. Die Frage ist allerdings, ob man hier im gepumpten Zustand noch rumfummeln mag oder lieber gleich durchzieht…

Superschöner Fels am Ende von L6 (7b), die finale, BH-freie Passage zum Stand hinauf hat's aber in sich...
L7, 6c: Auch die letzte Seillänge ist nochmals superschön! Erst geht's in technischer Kletterei eine Art Groove hinauf. Bei dessen Ende dann nochmals athletischer zu coolen Wasserrillen und erst auf den letzten Metern einfacher zum Stand mit Wandbuch, wenige Meter unter dem Top des Pfeilers.

Nochmals eine supercoole Länge an schönen Wasserrillen zum Abschluss: L6, 6c.
Freudig und stolz erreichen wir um 14.00 Uhr nach 5:20 Stunden Kletterei also den Ausstieg. Die Route trägt ihren Namen unseres Erachtens absolut zurecht, auch für uns ist es die schönste Route, welche wir bisher im Raum Partnun klettern konnten. Und selbst wenn man den Rayon auf's ganze Rätikon ausdehnt, gebührt ihr ganz sicher ein Spitzenplatz. So erstaunt es denn nicht, dass in den Jahren nach der Erstbegehung für eine Route in diesem Schwierigkeitsgrad ein richtiger Ansturm stattgefunden hat - da sieht man wieder einmal deutlich, wie viel Mund-zu-Mund-Propaganda ausmacht. Gewiss nicht viele Kletterer aus der regionalen Szene mit dem nötigen Niveau haben sich damals eine Begehung entgehen lassen. In den letzten Jahren war dann die Begehungsfrequenz eher tiefer geworden. 

Die Landschaft im Rätikon und speziell jene um den Partnunsee ist einfach malerisch!
Trotz der sehr hohen Qualität hat die Miss Partnun (wohl wegen ihrer etwas abseitigen Lage) nie dieselbe Popularität wie beispielsweise eine Intifada erreicht, obwohl dies aufgrund der Kletterei ganz klar gerechtfertigt wäre. Zufrieden machen wir uns ans Abseilen, was zügig vonstatten geht. Wir inspizieren dabei die parallel verlaufende Velocita Limitata (8a) - hmm, naja, irgendwie dünkt uns der Verlauf nicht restlos logisch und die Art, wie die Route "geputzt" wurde scheint auch etwas suspekt. Attraktiver erscheint da schon das Sennentuntschi (8 SL, 7b) wenig links der Miss Partnun... oder eben die Routen beim Gamstritt, welche wir im Abstieg nochmals ausführlich begutachten. Es sollte nur wenige Tage dauern, bis ich hier für die Baluga (5 SL, 7a) sowie die Plaisir-Familien-Erstbegehung Sunshine Reggae (3 SL, 5b) wieder in die Gegend kommen sollte.

Facts

Sulzfluh/Gamstobelwand - Miss Partnun 7b+ (6c+ obl.) - 7 SL, 240m - Luginbühl/Stäger/Dürr - ****;xxx
Material: 2x50m-Seil, 12 Express, Camalot 0.3

Sehr schöne Rätikon-Kletterei, welche fast durchgehend in perfektem Fels verläuft. Sie lohnt den Abstecher nach Partnun und den nicht ganz so kurzen Zustieg auf jeden Fall. Wie bereits erwähnt wäre die Miss Partnun auch in der Zone ums Grüscher Älpli eine herausragende Route. Die Absicherung mit grösstenteils rostfreiem Material ist gut, wenn auch im Bereich bis 7a oft reichlich zwingend. Nur die beiden (kurzen) Passagen, welche diesen Grad sprengen können A0 entschärft werden. In der 6a-Länge ist es hilfreich, wenn man einen Camalot 0.3 dazulegen kann. Der Bolt steckt zwar nur unwesentlich höher als das Placement, allerdings führt man dazwischen noch den Cruxmove aus. In den restlichen Seillängen haben wir keine mobilen Sicherungen gelegt. Ein Topo und weitere Infos findet man im Panico-Topo Rätikon Süd oder im Extrem Ost von Filidor.

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