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Dienstag, 25. Juli 2017

Acquafraggia - Mamma Mia (6a)

Die Gegend um Chiavenna ist eine etwas alpiner ausgefallene Kopie des Tessin. Hier findet man unscheinbar und in den Wäldern versteckt zahlreiche Klettergärten in bestem Gneis, es gibt plattige Plaisir-Klettereien, steile Wände und selbst ins Bergell, das Schweizer Granit-Eldorado, ist es nicht weit. Kommt noch hinzu, dass auch das Val di Mello und die Engadiner Kalkgebiete gut erreichbar sind. Darüber hinaus überzeugen die Vorzüge des südlich geprägten Wetters und eine zwar äusserst kurvige, dafür auch staufreie Anfahrt über den Splügenpass. 

Die Wand mit dem Routenverlauf
In Acquafraggia auf dem Campingplatz von Guido Lisignoli, dem Haupterschliesser der vielen Klettereien in der Gegend, wollten wir einen ersten Teil unserer Sommerferien verbringen. Das Programm sollte aus einem guten Mix zwischen Sportklettern und MSL-Klettern mit den Kindern bestehen - natürlich nebst all den spassigen Nebenaktivitäten, welche in den Ferien sonst noch Platz haben, jedoch nicht unbedingt Teil eines Kletterblogs sind. An einem Tag, der bewölkt startete, wollten wir das Limit ausloten und stiegen in die Mamma Mia (5 SL, 6a) ein. Diese wurde erst im 2016 von Guido Lisignoli an den Wänden von Acquafraggia erschlossen, verläuft unmittelbar neben einem Wasserfall und ist vom Camping in ca. 10 Minuten zu Fuss zu erreichen.

Installation auf dem Spielplatz unterhalb der Wand. Fragen zu Ethik und Sicherheit lassen wir mal aussen vor...
L1, 35m, 5c: Noch nicht ganz so steile Kletterei ohne anhaltende Schwierigkeiten. Einige Stellen sind jedoch durchaus schon als knifflig zu bezeichnen, da der dunkle Fels  hier doch ziemlich glatt ausgefallen ist.

L2, 40m, 6a: Kurz geht's durch den Dschungel und in einem speziellen ausgewaschenen Fels mit vielen runden Mulden steil aufwärts. Das Gestein ist vom Wasser poliert, stellenweise jedoch etwas staubig, was die Kletterei glitschig und anspruchsvoll macht. Der Ausstieg über eine steile Dreckpassage (gut mit BH abgesichert) fordert dann den richtigen Alpinisten - da kam mir meine Erfahrung aus Jugendzeiten in den Wäldern des Tössberglandes sehr zu Gute.

Ein Eindruck der Gegend, aufgenommen vom Campingplatz. Die Wand mit der Route befindet sich noch etwas rechts der beiden markanten Acquafraggia-Wasserfälle und ist auf dem Bild (obwohl in nur 10 Minuten von diesem Punkt zu erreichen) nicht wirklich gut sichtbar.
L3, 30m, 6a: Eine wirklich sehr spezielle Länge! Sie beginnt leicht überhängend, der Fels ist aber total irre strukturiert. Irgendwie eine Mischung zwischen korsischer Tafoni-Kletterei und Kalymnos-Sintern, ein geniales Turnfest. 

L4, 20m, 6a: Der Auftakt beinhaltet nochmals eine ähnliche Passage wie in der Länge zuvor, wenn auch nicht ganz so steil. Dann kurz nach rechts und da ist schon der nächste Stand. Kam mir etwas weniger anspruchsvoll wie  L2 und L3 vor.

L5, 25m, 6a: Hier geht's nicht mehr ganz so steil zu und her, das Gestein ist wieder etwas weniger strukturiert und glatter, mit kniffligen Sloperproblemen. Gegen Ende hin auch wieder etwas alpin bzw. bewachsen, an einer Stelle kurz vor Schluss musste ich doch tatsächlich auf harter Erde auf Reibung antreten ;-). Nach 25m erreicht man einen Stand, von wo man über die Route abseilen könnte. Hinauf ins flachere Gelände ob der Wand sind es weitere 10m.

Der gut versicherte Abstieg ist für sich selbst sehr sehenswert.
Tatsächlich hatten wir schliesslich alle zusammen den Ausstieg erreicht - es war jedoch anspruchsvoller wie gedacht. Die Kinder mussten hier an ihre Grenzen gehen. Während dieser Schwierigkeitsgrad bei Plattenkletterei beinahe mühelos von der Hand geht, so war diese steile, athletische und auch ausgesetzte Wand doch eine neue Erfahrung, auch wenn Steilheit und Schwierigkeitsgrad aus Garten und Halle nicht komplett unbekannt waren. Wir machten uns schliesslich an den Fussabstieg. Dafür muss man noch etwa 100hm durch etwas dschungeliges Gelände ziemlich genau gerade hinaufsteigen (zu Beginn leicht rechtshaltend). Dort trifft man auf den Pfad, welcher ins alte Bergdorf Savogno hinaufführt, bzw. an den Wasserfällen vorbei zurück zum Ausgangspunkt. Die Sache ist sehenswert und würde sich auch ohne zu Klettern lohnen! Zurück in der Zivilisation kommt man als erstes gleich an der Bar vorbei, wo man kühle Getränke, etwas zum Zmittag, Gelati und Caffè erhält. Ein würdiger Abschluss von dieser Familienkletterei. Daneben kann man sich auch gleich noch in den schönen Becken des Bachs abkühlen, was will man noch mehr?!? 

Badespass gleich unterhalb der Wasserfälle, eine willkommene Erfrischung!

Facts

Acquafraggia - Mamma Mia 6a (5c obl.) - 5 SL, 160m - G. Lisignoli 2016 - **;xxxx
Material: 11 Express, fürs Abseilen oder Rückzug 1x70m oder 2x50m-Seile

Interessante Kletterei durch die steile Wand neben einer Kaskade. Sie besticht vor allem durch die teils wirklich phänomenale Felsstruktur, die einen Henkelgenuss sondergleichen ermöglicht. Die Steilheit der Linie ist für den Schwierigkeitsgrad ebenfalls aussergewöhlich. Leider ist die Wand auch etwas botanisch, hin und wieder muss man auf Dreckpodeste hinaufmanteln und teils ist der Fels auch staubig, dreckig oder brösmelig. Trotz der sehr guten Absicherung mit tadellos platzierten Inox-BH erhält die Sache doch einen etwas abenteuerlichen Anstrich, der den reinen Genusskletterer vielleicht nicht restlos zu überzeugen vermag. Ein super Topo gibt's gratis vom Erstbegeher: klick!

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