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Montag, 25. Juni 2012

Gedanken zu Bergsport und Leistung


Verschiedentlich wurde ich positiv auf meinen Artikel zum Treiben am Everest angesprochen, interessante Diskussionen haben sich daraus ergeben. So auch eine mit einem Urgestein aus dem Basler Jura, das seine Gedanken derart eloquent schriftlich niederschrieb, dass sie an dieser Stelle publiziert werden. Nur als kleine Anmerkung am Rande, wer hier publizieren möchte, ist mit guten Beiträgen herzlich willkommen!

Ein Gastbeitrag von Patrik Müller*

Ich finde es generell immer sehr schwierig, Leistungen im Alpinsport zu vergleichen und daher auch abschliessend zu Bewerten. Wichtig ist aus meiner Sicht daher die Transparenz wie eine Leistung erbracht wurde und danach verkauft wird. So zum Beispiel die Tatsache, ob an hohen Bergen zusätzlicher Sauerstoff, bestehende Lager und so weiter benützt wurden. Ob eine eigene Spur gezogen wurde, oder ob man komplett alleine am Berg unterwegs war.

Granitklettern in Chamonix. Foto: Archiv P. Müller.
Ohne die Leistung von Ueli Steck zu mindern, wird es bei diesen Punkten bereits schwierig, den Einfluss der anderen Anwesenden zu werten. Ueli Steck versucht dies zumindest in seinem Beitrag aber nicht zu vertuschen. Der Einsatz seiner Batterieheizung ist meines Erachtens legitim, wenn er die dazu nötigen Batterien selber hinauf trägt. Dies ist Technologie und deren konsequente Ablehnung würde nur noch nackte Freesolo-Begehungen zulassen. Natürlich fragt sich dann aber sofort auch, ob der Sauerstofftransport in Flaschen zur Erleichterung der Besteigung nicht auch nur Technologie ist?

Bereits der Speed-Rekord von Dani Arnold an der Eigernordwand wird mit dem Berücksichtigen der Tatsache, dass er die Fixseile am Hinterstoisser-Quergang benutzte, relativiert. Nicht die absolute Zeit, sondern die effektiv erbrachte Leistung. Dadurch, dass Dani Arnold jedoch ehrlich diesen Fakt darstellt ist es nun an uns Alpinisten diesen "Rekord" und was er alpinsportlich bedeutet zu werten. Auch Ueli Steck verdammt die künstlichen Sauerstoff benützenden Massen am Everest nicht. Er darf aber zurecht von all den Everest-Helden Transparenz betreffend deren Begehungsstils einfordern. Dies kommt für mich noch weit vor einer allgemein gültigen Ethikregelung.

Mixedklettern im Basler Jura. Foto: Archiv P. Müller
Und hier setze ich an einem etwas früheren Blog-Beitrag betreffend der Aktion am Cerro Torre (Link) an. Denn meiner Meinung nach hat diese Aktion weniger mit Ethik, denn mit Anmassung zu tun. Genausogut könnten dann nämlich all die  Techno-Klassiker am El Cap oder in den Dolomiten (Drei Zinnen) ausgenagelt werden. Und konsequenterweise hätte dann ebenfalls jeder freesolo Kletterernde das Recht, seine so gekletterten Routen auszunageln, denn es ging ja auch ohne, ist ja bloss eine Frage des Engagements! Für mich sind solche Aktionen Blödsinn und entstehen aus einem opportunistischem Geschichtsverständnis. Denn die Route der zwei Amis am Cerro Torre, wurde ja anscheinend auch nur mit Hilfe einiger Bolts begangen. Da müsste diese Route "nicht gelten", ausgenagelt (renaturiert) und höchstens als "offenes Projekt" gehandelt werden!

Für mich gilt: Aufpassen wenn man eine bergsportliche Leistung öffentlich darstellt. Und die fängt bereits mit den guten Sprüchen alter SAC-ler an, die wir nur all zu gut kennen: "Ja, das haben wir früher schon mit den Bergschuhen geklettert!!" Das sich die ehrenwerte Bergsteigergilde aber an jedem denkbaren Haken hinaufzog und fleissig auch Trittschlingen benutzten wird ausgeblendet. Nur die Wortwahl "geklettert" wird beibehalten, unbeachtet der im heutigen Kletterverständnis differenzierteren Bedeutung des Begriffs. Dasselbe gilt mit den Begriffen "auf den höchsten Berg geklettert" oder eine Tour "solo" gemacht. Da  kommen mir die Bilder von Röbi Bösch in den Sinn, wo man Evelyne Binsack "solo" in den Spuren von ihm die Lauperroute am Eiger hochsteigen sieht...!

Sportklettern in Finale Ligure. Foto: Archiv P. Müller
Zum Glück kann Bergsport kaum über fixe Parameter gemessen und Leistung entsprechend bewertet werden. Umso mehr liegt es an der Ehrlichkeit der Akteure, die Umstände ihres Tuns zu deklarieren und ob sich die erbrachte Leistung mit der ursprünglich gewollten deckt. Also, ob man sein alpinistisches Ziel erreicht hat. Ob dieses Ziel einen Meilenstein für den Bergsport bedeutet, eine bisherige Leistung in den Schatten stellt oder gar eine Schandtat darstellt, darf dann beim Bouldern, am Lagerfeuer oder in den Hütten bis zum Umfallen diskutiert werden und immer wieder für rote Köpfe sorgen. Aber vielleicht auch Ansporn dafür, etwas besser, schneller, sauberer oder wie auch immer zu machen. Es lebe der Bergsport!

* Seines Zeichens Präsident der IG Klettern Basler Jura, verrichtet Patrik Müller enorm nützliche Dienste für uns Felsliebhaber, und verdient für diesen Einsatz unser herzlichstes Dankeschön. Dass er auch alpinsportlich etwas auf dem Kasten hat, zeigen seine Expeditionen zum Makalu (8463m, 3x ohne zusätzlichen Sauerstoff bis auf eine Höhe von 7400m, danach umgekehrt), und seine Klettereien am El Capitan, wo er 3 Routen bis zum Grad A4 komplettiert hat. Hierzulande ist er viel beim Klettern (bis 6b+ onsight) anzutreffen, und er richtet auch gerne Routen ein, im Plaisir-Standard, alpin und im Klettergarten, "von unten" als auch "von oben".

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