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Samstag, 14. April 2012

Oltrefinale / Acquario, Tortuga und Guggenheim

Im Val Pennavaire, im Hinterland von Albenga an der ligurischen Küste, schossen in den letzten 10 Jahren die neuen Klettergebiete wie Pilze aus dem Boden. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen, noch immer werden neue Felsen entdeckt und eingerichtet. Anders als hierzulande werden dort die neuen Klettergärten auch noch veröffentlicht: so gelangte die Kunde der Gebiete Acquario, Tortuga und Guggenheim bereits in den letzten Jahren zu mir. Als ich mir Gewahr wurde, dass diese alle 3 viel Kinderfreundlichkeit bei wenig Andrang bieten, war ein Besuch in unseren Oster-Kletterferien gesetzt. 

Unser Arcimboldo wie er leibt und lebt - immer am kraxeln, oder mit einer spannenden Entdeckung!

Acquario 

Dieses Klettergebiet befindet sich in unmittelbarer Nähe des bekannten Terminal. Ja, es ist sogar von der Strasse sichtbar, da die Felsen aber nicht allzu hoch sind, und im lokal typischen Wald versteckt sind, nimmt man ihn kaum wahr. Als Ausgangspunkt dient der Weiler beim Agriturismo da Ferruccio (4.5km ab  Martinetto), wo man im Aufstiegssinn links des Bächleins startet und so in problemlosen 10 Minuten die Einstiege erreicht, der Weg ist aktuell (April 2012) mit Schildern und Filzstiftmarkierungen sehr gut gekennzeichnet. 

Der erste Eindruck der Wand ist dann gar nicht so „mega wow“, denn die Felsen sind maximal 15m hoch. Aber steil, gespickt mit Sintersäulen, Flowstone und rauhen, Blumenkohl-ähnlichen Strukturen. Es gibt 45 Touren in den Graden 5a-7c, die Wand ist nach Süden exponiert, und am besten für Frühling und Herbst tauglich. Für den Winter liegt der Fels zu tief im engen Tal und erhält nur wenig Sonne, im Sommer wird es hingegen zu warm sein. Die Absicherung sieht perfekt aus (und ist es auch), und in der Tat ist der terrassierte Wandfuss sehr kinderfreundlich. Positiv ist auch zu werten, dass wir bis auf 2 italienische Seilschaften alleine da sind. Dann also mal los! 

Fränkische Atmosphäre im Sektor Acquario
Aufgewärmt wird in Phycis (6c). Strenge, athletische und ausdauernde Sinterkletterei, super genussvoll, für mich gerade recht für ein kleines Anpumpen zum Aufwärmen. Aber ist da einer der entscheidenden Griffe in der Route etwa künstlich aufgebessert? In diesem Fall bin ich nicht zu 100% sicher, da aber in etlichen anderen Routen offensichtlich gebastelt wurde, auch nicht ausgeschlossen. Immerhin, die Kunstgriffe sind ziemlich diskret, recht natürlich eingebettet und homogenisieren die Routen angenehm. Nicht, dass sie deswegen gutzuheissen wären, aber immerhin „stören“ sie den Kletterfluss nicht. 

Schliesslich komme ich zu einer zweiten Aufwärmrunde in der Diavolo di Mare (6b). Den Mädels ist da eine Stelle zu schwer und zu psychisch. Die Route hat es dann trotz guter Absicherung tatsächlich in sich, bei der obligatorischen Crux muss ich genau hinschauen, um sie zu entschlüsseln und komme durchaus etwas ins Schnaufen – den angegebenen Grad empfinde ich als klar zu tief. Die Kletterei ist wohl gut, qualitativ mit der Phycis aber nicht zu vergleichen. 

Als Rotpunkt-Ziel für den heutigen Tag erküre ich dann die interessant aussehende Wakin (7c). Ein erster Go zum Erkunden zeigt, dass es da gleich die ersten Meter sind, welche Probleme machen. Schliesslich kommt mir einer der Italiener zu Hilfe. Während wir diese, ob ihren grauen Haaren erst für Plaisirkletterer gehalten haben, ziehen die nämlich ganz schön harte Moves, besonders der 60-jährige Ermanno und der 69-jährige Brunin bewegen sich noch Rotpunkt in den Graden 7b und 7c! So kommt es dann, dass mir ein Rentner die Züge der Wakin erklärt. 

Sektor Acquario, kräftige Sinterkletterei, 15m hoch und 3-4m überhängend.
Schliesslich ist eine für mich konsistente Lösung gefunden und mein erster Rotpunktversuch scheitert nur knapp. Der schwere Einstieg läuft perfekt, danach ist aber noch etliches an Rési erforderlich, und kurz vor dem Ausstieg wartet eine Sequenz von harten Zügen. Da bin ich eigentlich korrekt unterwegs, doch weil sich ein Move hart anfühlt und ich ihn nicht zu 100% statisch ausführen kann, beginne ich zu zögern. Ich suche eine neue, bessere Position, die es aber nicht gibt... in Sekundenschnelle ist das Pulver verschossen und Game Over. 

Im dritten Go dann bin ich wieder an derselben Stelle, kann den nächsten Griff in einem Deadpoint gerade noch fassen. Ab dort wären es noch 5 Moves, aber mir geht an den schon besseren Griffen der Strom aus, und wieder: tschüss! Als ich mich das nächste Mal einbinde, bin ich gar nicht mehr so voller Hoffnung. Doch Klettern ist manchmal schon komisch: während ich unten erst einmal mangels Druck am Fuss von einer kleinen Leiste rutsche, mich bereits etwas ausgepowert fühle, aber dennoch gleich nochmals erfolgreich neu beginne, geht es oben dann perfekt, so dass ich die Züge kraftvoll und sauber durchziehen kann, und mir den Rotpunkt in der Wakin (7c) abhole! 

Tortuga 

Eigentlich war unser Plan für diesen Ostersonntag, im weiter taleinwärts gelegenen Sektor Red Up an der Sonne zu klettern. Wir kurvten (weit, 15km ab Martinetto!) hoch nach Alto im Val Pennavaire, und erreichten den Red Up in 15 Fussminuten. Doch ganz offensichtlich erfreuen sich diese super aussehenden, dem Terminal ähnlichen Sinterklettereien sehr grosser Beliebtheit. Am Einstieg sieht es ähnlich aus wie in der Kletterhalle bei Höchstbetrieb. Darauf haben wir keine Lust, und auch der Wandfuss ist bei diesem Andrang nicht genügend kinderfreundlich. Weil der nahe gelegene Sektor Corsia zwar verwaist ist, aber mit seinen 8-10m hohen Boulderrouten an geschlagenen Griffen auch gleich sehr unattraktiv, beschliessen wir, mal den Sektor Tortuga auszuchecken. 

Felsstruktur im Sektor Tortuga, das Seil hängt in Barbanera (7a).
Dieser befindet sich gar nicht im Val Pennavaire, sondern im benachbarten Val di Neva, allerdings ganz am Eingang. D.h., bei der Strassenverzweigung in Martinetto gilt es nicht links, sondern für einmal rechts Richtung Garessio-Zuccarello zu halten. Schon nach 800m ist linkerhand ein grosser Steinbruch, wo man parkieren kann. Von da ca. 80m auf der Strasse zurückgehen und auf der linken Talseite recht steil auf schwachen Wegspuren in ca. 7 Minuten zu den bereits von der Strasse sichtbaren Felsen hochsteigen. Aktuell (April 2012) befindet sich an der Hangböschung ein Baustelle, so dass der Beginn des Pfades nicht ganz einfach zu lokalisieren ist. 

Die Felsen sind nach Westen exponiert, die Einstiege sind im Schatten der Bäume. Die Sonne erreicht den Fels ab dem frühen Nachmittag. Ideale Jahreszeit sind Frühling und Herbst, im Winter ist es hier zu kalt/schattig, im Sommer sind die Morgenstunden tauglich. Der Hauptsektor bietet 16 Routen zwischen 15-25m Höhe in den Graden 4b-7c+. Die schweren Touren im Zentrum der Grotte sind athletische Überhangklettereien, vom Stil her ähnlich wie in Castelbianco. Die leichteren Touren rechts und die 11 Routen im 50m rechts oberhalb gelegenen Nebensektor bieten leicht überhängende Wandkletterei. Ein weiterer Vorteil: der auch hier terrassierte Wandfuss ist perfekt kinderfreundlich, die Grundmauern eines alten Gebäudes geben gar eine perfekte Kinderbox her. 

Crux in Calipso (7a), Sektor Tortuga
Weil Mittag inzwischen schon vorbei ist, steige ich ohne zu Zögern gleich in die Barbanera (7a) ein. Deren Crux hält einen super Bouldermove bereit, welchen ich aber nicht auf Anhieb entziffern kann. Im Rest wird mehr die Ausdauer gefordert. Im zweiten Go kann ich die Route problemlos durchsteigen. Als nächste Tour ziele ich auf die Francis Drake (7b). Die ersten Meter sehen schwer aus und ich vergebe mir den Onsight schon mit der Entscheidung, am in der zum selben Stand führenden Nachbartour hängenden Seil zu klettern. Dies war aber der richtige Entschluss, die weit auseinander liegenden Crimps wollen geplant in eine Sequenz integriert werden. Im zweiten Versuch kann ich sie dann sauber und mühelos durchsteigen. So bleibt zuletzt noch ein Onsight-Go in der weit überhängenden Calipso (7a), die unnahbar und schwer aussieht. Es entpuppt sich dann aber doch weitgehend als henklig-gängig, erst kurz vor dem Stand kommt die Crux. Da muss ich knieklemmen und schütteln, kann mich aber schliesslich mit dem letzten Strom sauber zum Stand retten. 

Guggenheim 

Am Ostermontag regnet es leicht, also muss ein geeigneter, überhängender Sektor her. Die Standardwahl, das Anfiteatro am Monte Cucco in Finale, fällt wegen dem zu erwartenden Andrang aus. Im Val Pennavaire gibt es aber diverse Alternativen, unter anderem der neu erschlossene Settore Guggenheim. Diese Felsen hatte ich bereits früher von der Strasse beobachtet und mich noch gefragt, warum es da wohl keine Routen gäbe... inzwischen ist das also erledigt mit der Erschliessung. 

Sektor Guggenheim im Val Pennavaire, am prominentesten im Bild der rechte Sektor.
Die Zustiegsbeschreibung im Faltblättchen ist leicht irreführend, so dass ich mich erst mal durch nasses Buschwerk an den Wandfuss vorkämpfe. Im Abstieg zurück zur Familie finde ich dann den richtigen Pfad, und kann mit ihnen den korrekten Weg nehmen: dieser beginnt, wenn man von Colletta nach Oresine fährt, in der letzten Haarnadelkurve vor dem Ort, rechts des kleinen Rinnsaals beim Schild mit der Aufschrift „Via del XXIV Maggio“. Schon nach 15m geht’s links über den Bach, und ab da leiten gute Wegspuren über Terrassen in 3 Minuten zum Wandfuss. 

Hier beginnt der Zustiegspfad zum Sektor Guggenheim.
Der Guggenheim unterteilt sich in 2 Sektoren. Zuerst kommt man zum rechten, der 23 sehr schöne, 20m hohe Routen in den Graden 5c-6c+ bietet. Es handelt sich um leicht überhängende Wandkletterei an rauhem, griffigen Fels. In einer kleinen, zentralen Grotte hat es auch noch einige Projekte, aber vor allem befindet sich an deren Fuss ein schöner, kindertauglicher Platz. Da nach SE exponiert und recht hoch an der Talflanke gelegen, könnte man hier auch in der kalten Jahreszeit gut klettern. Der linke Sektor ist ca. 1 Minute entfernt und besteht im Wesentlichen aus einer steilen Grotte. An deren Flanken gibt es auch noch einige gemässigte Touren, so dass 14 Routen zwischen 6a-7c zur Verfügung stehen, mit bis zu 25m Länge. 

Kathrin in der fotogenen Gaugin (6b) im Sektor Guggenheim.
Ich klettere im rechten Sektor die Touren Van Gogh (6b, super), Monet (6c, prima Tour mit harter Einzelstelle) und Arcimboldo (6b+, fantastisch). Im linken Sektor engagiere ich mich in der Rembrandt (7a). Die ist auch genial, dünkt mich aber eher auf der harten Seite, ist tricky und erfordert Kraft und Ausdauer. Onsight chancenlos, kann ich mich im zweiten Versuch gerade knapp zur Kette retten – vielleicht sind es aber auch die mässigen, feucht-kühlen Bedingungen, oder die Ermüdung am 5. Klettertag am Stück. Anyway, der Guggenheim-Sektor ist eine gute Adresse, und wir werden sicher wieder hierherkommen.

Topos

Ein Faltblatt mit Zustiegsbeschreibungen (nicht ganz so präzisen wie die meinigen oben ;-)) und Routenlisten kann man auf Anfrage für 5 Euro pro Stück in der Bar Neva in Cisano sul Neva kaufen. Am Fels sind alle Touren mit Namen angeschrieben, so reichen im Prinzip auch die im Internet auffindbaren, jeweils fast vollständigen Routenlisten aus:

Tortuga: Routenliste
Acquario: Routenliste
Guggenheim: Routenliste, Ergänzung

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